Stimmungsmusik
Endlich. Nach mehr als 10 Jahren fast vollständiger Abstinenz habe ich mein Klavier wieder bei mir. Es hat mir die Nichtbeachtung anscheinend nicht weiter übel genommen, es sei in prächtiger Gesamtverfassung bestätigte mir eine Fachfrau.
Nun steht es bereits einen Monat hier in meinem Wohnzimmer und macht es sich gemütlich. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, wird die besagte Dame dafür sorgen, dass eine Oktave auch wieder wie eine Oktave klingt.
Und dann? Dann werde ich nicht umhin kommen, mir einzugestehen, was ich bereits seit einigen Hörproben ahne: dass ich alles andere als in prächtiger Verfassung bin. Meine Finger sind schwach und weigern sich bereits nach einer dreiviertel Stunde, die nötige Mischung aus Kraft und Sensibilität beim Anschlag aufzubringen. Derweil grüble ich über geheimnisvolle Zeichen in den Noten, versuche mich verzweifelt zu erinnern, ob sie für Mordent oder Pralltriller stehen - bis ich gottlob irgendwo eine Randnotiz von meiner Klavierlehrerin finde. Wenigstens kann ich noch Triolen gegen Achtel laufen lassen, ein schwacher Trost.
Aber irgendwann, so meine Hoffnung und mein Ziel, werde ich mich wieder einer schönen Sonate oder eines Präludiums würdig erweisen.
Übrigens habe ich in seinem Geburtshaus einen meiner Milchzähne verloren. Der war einfach zu unmusikalisch.