Freitag, 6. April 2007

Sitzzwerge

Wenn man sich mal die verschiedenen Ausprägungen der Gattung Mensch näher anschaut, wird man feststellen, dass es sehr große Unterschiede in der Proportionalität zwischen Ober- und Unterkörperlänge bei gleichbleibender Gesamtgröße gibt. Die beiden extremen Ausprägungen bilden Sitzzwerge und Sitzriesen.

Bei den Sitzriesen ist der Teil, der maßgeblich zur Gesamtgröße beiträgt, der Oberkörper. Schaut man sich einen Tisch an, an dem mehrere Personen sitzen, wird der Sitzriese alle überragen, während er im Stand durchaus einer der Kleinsten sein kann.

Beim Sitzzwerg verhält es sich genau umgekehrt. Er wird an diesem Tisch der Kürzeste im Sitzen sein, und wenn er denn aufsteht, sind die meisten ein wenig überrascht, dass er plötzlich doch eine einigermaßen stattliche Körpergröße erreicht.

Dies kann für eine Frau bisweilen ein wenig peinlich werden. Ich muss das wissen, ich bin sowohl eine Frau als auch ein Sitzzwerg, insgesamt jedoch mit 1,74 m nicht eben klein. Man stelle sich nun bitte folgende Situation vor: in der Tanzschule sitzt man vor Beginn der Stunde noch ein wenig zusammen und wartet, falls man nicht zu den glücklichen, einen festen Tanzpartner habenden Damen gehört, auf einen netten jungen Mann, der lässig an den Tisch geschlendert kommt und höflichst zu eben der Beschäftigung auffordert, für deren Ausübung man sich an den Ort des Geschehens begab.
Endlich taucht ein Kandidat auf, er spricht brav sein Sätzchen, man lächelt, schließlich kann man als höfliche Dame ab diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ablehnen - obwohl man bereits gewisse Befürchtungen hegt. Aber das Schicksal nimmt seinen Lauf und so kommt der alles entscheidende Moment, in dem man sich vollständig von seiner Sitzgelegenheit erhoben hat und dem Mann das erste Mal in voller Größe gegenüber steht. Die Erwartungen sind klar: er hatte sich bewusst eine - so schien es zumindest - kleinere Frau für seine Avancen ausgesucht und steht nun stattdessen einer mindestens gleich großen, im schlimmsten Fall sogar größeren Weiblichkeit gegenüber. Für beide Beteiligten nicht eben angenehm.

Daher, meine Herren, empfehle ich Ihnen wärmstens einen unauffälligen Blick unter den Damentisch und eine sorgfältige Taxierung der sich dort befindenden Beine. Dieses Vorgehen erscheint mir auch außerhalb einer Tanzschule bisweilen erfolgversprechend.

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